Nicht jeder hat vielleicht Interesse an der Frage, wer und wo die eigenen Vorfahren waren. Prägend für mich war zunächst die Arbeit meines Großvaters Paul Buchholz, der in meinen Kinder- und Jugendjahren viele Erlebnisse und Gedanken im wahrsten Sinne des Wortes zu Papier brachte. Er sortierte die Bilder, Briefe, Ansichtskarten, Berichte und Urkunden aus den Familien Buchholz und Lutzke. Vieles schrieb er mehrfach übereinander. Wahrscheinlich wollte er sicher gehen, dass seine Texte möglichst lange erhalten bleiben und benutzte deshalb drei verschiedene Kugelschreiberfarben. Für das Hinzufügen von Bildern saß er schnibbelnd an seinem Tisch und bastelte seine eigenen Fotoecken. Alles fand seinen Platz in einfachen Notizbüchern im A4-Format.
Mein Großvater fasste vieles in Ferse und konnte diese endlos lange immer und immer wieder vortragen. War ich mit ihm unterwegs trafen wir oft einen seiner vielen alten Bekannten. Sie setzten sich zu einem Plausch beim Kaffee zueinander und dann begann meist ein langes Rezitieren der alten Geschichten aus seinen Büchern. Ich erinnere mich an solche Begegnungen im Pförtnerhaus der MTS Schwaan, an wenige im Garten - häufiger an solche beim Spazierengehen über die Obotritenhöhe oder durch die Stadt.
Mein Vater Siegfried Buchholz hat die Aufzeichnungen von seinem Vater - meinem Opa - über viele Jahre aufbewahrt. Bei fast jedem Besuch nahm ich die Bücher zur Hand um darin zu blättern. Aus Angst vor dem Zerfall wurden die Notizbücher später zerteilt. Die Einzelblätter kamen in einen dicken roten Ordner mit Klarsichthüllen. Es hat ziemlich lange gedauert bis er diesen an mich auf Dauer weitergegeben hat. Der rote Ordner gehört zu den wichtigsten Dingen, die ich im Ernstfall retten wollen würde.
Die Geschichten der mütterlichen Seite kenne ich aus Erzählungen meiner Großmutter Henriette Hackl geb. Weckschmied und vor allem von meiner Tante Gertrud Klein geb. Hackl. Beide hatte ich sehr gern, vor allem weil ich deren Herzlichkeit und Zugewandtheit sehr genossen habe. Ich habe in Kinderzeiten sehr viel Zeit bei meiner Oma verbracht. Mit meiner Tante hätte ich sehr gern viel mehr Zeit verbracht. Leider hat sich meine Mutter nicht gut mit "meinem Tantchen" vertragen. In den letzten Lebensjahren von Gertrud hatte ich noch ein wenig Gelegenheit mit ihr das eine oder andere Telefongespräch zu führen - zumindest soweit sie es atem- und stimmtechnisch verkraftet hat. Auf diese Weise konnte sie mir noch einiges darüber erzählen, warum sich unsere Beziehung so entwickelt hat. Ihre Ankündigung, die wichtigsten Dinge noch aufzuschreiben und an mich weiterzugeben hat sie tatsächlich umgesetzt. So habe ich auch einen kleinen Einblick in die Geschichte der Familie Weckschmied und Hackl erhalten - mehr Weckschmied (Oma) als Hackl (Opa).
Noch - Stand 2025 - bin ich nicht Teil der ältesten lebenden Generation. Meine Eltern leben beide noch und ich gönne beiden, dass es dabei noch eine ganze Weile bei möglichst guter Gesundheit bleiben wird. Trotz allem wächst bei mir der Anteil an Gedanken über die Dinge, die von mir bleiben werden. Mit mir wird die Erinnerung an meine Großeltern und die Zeit mit ihnen verblassen und verschwinden, sobald ich mal gehen werde. Vielleicht lässt sich zumindest ein wenig durch das Verschriftlichen weitertragen. Mit mir wird damit auch der allererste Teil der Geschichte um meine Familie digital. Fraglich, was beständiger ist - die dreifarbig geschriebenen Texte von Opa oder meine bits und Bytes.